Pflegefachkraft und Soldat:in - Eine besondere Herausforderung

Bonn, 11. Februar 2022

Sicht der Pflegekräfte - Spannungsfeld der Pflegeberufe bei der Bundeswehr
Stabsfeldwebel Cindy Fischer / Verband der Soldaten der Bundeswehr (VSB e.V.)

Probleme heute

Die Bundeswehr verfügt über einen fachlich hoch spezialisierten Zentralen Sanitätsdienst (ZSanDst), welcher weit über unsere Landesgrenzen hinaus eine hervorragende Reputation genießt. Das Bundeswehrkrankenhaus Berlin hat jedoch auch mit denselben Problemen zu kämpfen wie zivile Krankenhäuser. Diese seien hier nur kurz umrissen: Mangel an Nachwuchs und Fachpersonal, Mehrbelastung des Personals durch Anleitung und Ausbildung der Schüler:innen und Student:innen, fehlende Attraktivität des medizinischen Pflegeberufs, hoher Krankenstand, Rückstände in der Digitalisierung, die Belastung der Pflegekräfte durch pflege-untypische Aufgaben, wachsende Anforderungen an die Qualifizierung des Personals im Pflegealltag. Weiterhin macht sich noch immer die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und des Wehrersatzdienstes insbesondere bei der Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr und im Sozial- und Gesundheitsbereich, aber auch bei konkret bei der Personalbelastung in der Pflege bemerkbar.

Für das Bundeswehrkrankenhaus kommen jedoch als spezifisch militärische Einrichtung weitere Belastungen und Herausforderungen hinzu. Das militärische, hoch ausgebildete 1 Verband der Soldaten der Bundeswehr (VSB): Konzeption Personalmanagement (KonzPersMgmt), Bonn 2021, Download Konzept ... Pflegepersonal des Zentralen Sanitätsdienstes muss auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr bereitgestellt werden. Zum einen wird dieser Bedarf aus den Sanitätsregimentern gedeckt, insbesondere die Stellen mit pflegerischem Hintergrund und Fachausbildungen, aber auch durch die Bundeswehrkrankenhäuser. Zudem müssen die Bundeswehrkrankenhäuser die Soldaten der Sanitätsregimenter für sechs Wochen im Jahr “in Ausbildung halten”, damit diesen ihren Status als Pflegekräfte erhalten. Überdies erleben die Abteilungen eine hohe Fluktuation an Personal, durch den besonderen Ausbildungsauftrag und die zeitlich begrenzten Verträge der Zeitsoldat:innen muss im höheren Maße eingearbeitet und angeleitet werden. Es hat sich dabei auch herausgestellt, dass Soldat:innen aus den Regimentern in der Coronakrise nur bedingt im Bundeswehrkrankenhaus eine Hilfe waren.

Neben den militärischen Verpflichtungen innerhalb der Bundeswehr und der medizinischen Versorgung von Soldat:innen ist das Bundeswehrkrankenhaus Berlin in die zivile medizinische Versorgung im Land Berlin eingebunden - etwa in das Rettungsdienstsystem, als Krankenhaus der Notfallversorgung sowie als Klinik der Grund- und Regelversorgung für zivile Patienten. Hinzu kommt die besondere Rolle des Standorts in der Bundeshauptstadt und Betreuung der Bundesregierung, des Bundespräsidenten und des Bundestags.

Neben der Herausforderung, die steigenden gesetzlichen Vorgaben für zivile Krankenhäuser zu erfüllen, muss das Personal auch den hohen Standards in der Bundeswehr gerecht werden. Der Pflegealltag sowie die weiteren besonderen Aufgaben des Bundeswehrkrankenhauses führen zu einer hohen Be- und Auslastung des Personals, in der pandemischen Lage hat sich die Situation noch einmal verschärft. Für das militärische Pflegepersonal kommen zusätzliche Anforderungen hinzu, so das besonders in der aktuellen Zeit die Pflege immer schwerer mit dem Berufsbild der Soldat:innen in Einklang zu bringen sind. Kurz erwähnt seien hier Laufbahnlehrgänge, Auslandseinsätze, Weiterbildungen, Aneignung und Aufrechterhaltung individueller Grundfertigkeiten, sportliche Inübunghaltung und zu erbringende Leistungen, von denen einige jährlich nachzuweisen sind, um in den Beurteilungen nicht schlechter abzuschneiden etc.

Trotz der überaus guten Ausbildung des medizinischen Pflegepersonals hat das Bundeswehrkrankenhaus Berlin wegen starrer Personalstrukturen und wegen des höheren, weil auch militärischen Verwaltungsaufwandes, möglicherweise auch einen Nachteil bei der Nachwuchswerbung gegenüber zivilen Krankenhäusern. Denn das militärische Pflegepersonal wird nach dem jeweiligen Dienstgrad besoldet. Militärische Pflegekräfte werden daher auch von zukünftigen Verdienstverbesserungen bei zivilen Pflegeberufen ausgeschlossen. Inzwischen gibt es aber mit der Personalstrategie der Bundeswehr und dem Strategieprogramm 2025 „Teilziel Moderne Laufbahnen“ Ansätze für eine Professionalisierung und Akademisierung in der Pflege und mehr Durchlässigkeit der Laufbahnen bis hin zu Offizier:innen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten.

Die militärische Personalorganisation führt dazu, dass weniger flexibel auf längerfristige Personalausfälle reagiert werden kann, dies betrifft etwa die möglicherweise nötige Bereitstellung von Ausweichposten, um “ausgebranntes” Personal wieder an ihre Aufgaben heranzuführen.

Lösungsvorschläge für die Zukunft

Um den hohen Standard in der Pflege des Bundeswehrkrankenhauses zu halten, aber zugleich die in der pandemischen Lage weiter zugespitzten Probleme anzugehen, bedarf es einer Reihe von Maßnahmen, die insbesondere auf den Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr zugeschnittenen sind und dessen besondere Lage berücksichtigen. Im Allgemeinen geht es um die Arbeitsbedingungen in der Pflege unter Berücksichtigung des militärischen Dienstwesens sowie eine höhere Attraktivität für potenziellen Nachwuchs aber auch für bereits bestehendes Personal.

Ein Grundpfeiler wäre die Einführung einer “Allgemeinen Dienstpflicht”. Dies aber nicht als Wehrdienst durch die Hintertür, sondern weil sie Nutzen und Sinn für unsere pluralistischer werdende Gesellschaft und ihren Zusammenhalt stiftet. Und ein Beitrag sein kann zur Nachwuchsgewinnung in Schlüsselberufen in der Kranken- und Altenpflege, im Umwelt- und Klimaschutz und bei der inneren Sicherheit, aber auch bei der Bundeswehr. Bisherige freiwillige Dienste erreichen nur einen Bruchteil der Bevölkerung und tragen kaum zur Nachwuchsgewinnung bei. Mögliche Betätigungsfelder im öffentlich-gemeinschaftlichen Interesse, bei einer am Mindestlohn orientierten Vergütung wären: Wehrdienst, Gesundheits-, Alten- und Krankenpflegeberufe, Feuerwehr, Wohlfahrtsverbände, Organisationen des Klimaschutzes, der Natur- und Landschaftspflege, Organisationen des Katastrophenschutzes wie Technisches Hilfswerk oder Organisationen des Rettungswesens.

Mit Blick auf die Pflege in zivilen Krankenhäusern wie auch in Bundeswehrkrankenhäusern könnte dies zur Entlastung des vorhandenen Pflegepersonals von pflegefernen Aufgaben führen.

Die gesetzlichen Hürden für eine Dienstpflicht sind jedoch hoch, bisherige Gesetzesnormen zu Wehrdienst und Zivildienst reichen wohl nicht aus. Für eine Dienstpflicht müsste wohl das Grundgesetz geändert werden.

Neben diesem grundsätzlichen Vorgehen sind auch Maßnahmen für die Bundeswehr selbst nötig, welche ein attraktives finanzielles Leistungssystem ermöglichen.

Für eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber wäre eine Reform der Statusgruppen nötig: Soldat:innen auf Zeit (SaZ) müssten zu Berufssoldat:innen auf Zeit (BaZ) heraufgestuft werden, um die Lebensplanung eine bessere soziale Absicherung zu gewährleisten. Möglich wären Modelle, in denen Pensionsansprüche behalten und Berufsförderungsmaßnahmen ausgebaut werden. Zudem müsste nach der Dienstzeit die Aufnahme in eine gesetzliche Krankenkasse geregelt werden.

(Verband der Soldaten der Bundeswehr (VSB): Konzeption Personalmanagement (KonzPersMgmt), Bonn 2021, Download Konzept ...
Daneben wäre es angebracht, den einfachen Dienst zu streichen, einen Spezialistenlaufbahn einzuführen und die Besoldungsstufen anzupassen und durchlässiger zu gestalten, um leistungsstarken Soldat:innen den Aufstieg zu Führungskräften zu ermöglichen - vom Mannschaftsdienstgrad zu Unteroffizier:innen, von Unteroffizier:innen zu Offizier:innen und für diese den Weg zu Stabsoffizier:innen und Fachlaufbahnen. Dies trägt nicht nur zur Motivation bei, sondern Potenziale könnten zielgenauer ausgebaut und eingesetzt, Personal längerfristig gebunden werden.
Insbesondere für militärische Pflegepersonal in den Bundeswehrkrankenhäusern sollte eine Eingruppierung von Mannschaft- und Unteroffiziersgrade in Offiziersdienstgrade ermöglicht werden. Damit sollte der besseren Entlohnung von Pflegeberufen unter Berücksichtigung der militärischen Anforderungen entsprochen, aber zugleich die nötige Akademisierung der Pflegeberufe vorangetrieben werden. Bisher vorgesehene Ansätze, um Führungspersonal wie Pflegeleitung und Stationsleitung mittels Qualifizierung, durchlässiger Laufbahnen und höherer Eingruppierung zu gewinnen und zu halten, Pflegepersonal durch Fortbildung und Akademisierung den Aufstieg zu ermöglichen vom Unteroffiziers- zum Offiziersdienstgrad weisen in die richtige Richtung. Auch gibt es Überlegungen, über neue Eingruppierungen die Professionalisierung des militärischen und zivilen Personals in der Pflegehilfe voranzutreiben. Besonders bei Fachkrankenpflegern könnte dem in der Pandemie akut noch sichtbarer gewordene Personalbedarf begegnet werden, indem eine Förderung oberhalb der üblichen Aufstiegsperspektiven möglich wird. Ob der bislang in dieser Richtung vom Sanitätsdienst der Bundeswehr eingeschlagene Pfad ausreicht, bleibt abzuwarten. Auch ob die bisherigen Zeitachsen für die Umsetzung der Pläne dem Bedarf gerecht werden - oder nicht doch eine Beschleunigung nötig ist. Generell muss über Professionalisierung und eine generelle Akademisierung der Pflege diskutiert werden.

Bei allem darf jedoch das Bestandspersonal nicht aus dem Blick verloren werden. Nachhaltige Medizin muss auch den nachhaltigen Umgang mit dem Personal meinen. Ganz konkret für den Dienstalltag des Pflegepersonals im Bundeswehrkrankenhaus ist eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten bis hin zu offenen Stunden- und Wochenkonzepten sowie eine unbürokratische Überstundenregelung nötig, damit gut ausgebildetes Personal bleibt und individuell zwischen den Anforderungen des Privatlebens und des Dienstalltags austarieren kann. Generell muss Personal durch Arbeitgeber:in und Dienstherr:in besser betreut werden - Entwicklungsmöglichkeiten müssen gemeinsam geplant, Chancen für Veränderungen besprochen, für Seelenhygiene gesorgt und bei Herausforderungen wie Schwangerschaft, Pflege Angehöriger oder Überlastung im Beruf Chancen für Übergänge gefunden werden.

Bezogen auf militärisches Pflegepersonal bedeutet dies auch ein Umdenken bei Dienstposten: Bislang sind Dienstposten auf Stationen geblockt, weil Personal durch Herausforderungen und Probleme den Dienst für einen gewissen Zeitraum nicht mehr wahrnehmen kann. Damit jene Dienstposten neu besetzt und das herausgeforderte Personal dennoch reintegriert und besonders betreut werden kann, sollte ein “Springerdienstpostenähnliches Konstrukt” eingeführt werden.

Zur Entlastung des Pflegepersonals, das wie die Mediziner:innen “an den Patienten” gehört, sollten Hilfsberufe etwa für Medikamentenbestellung, Dokumentation und psychische Stabilisierung fest installiert werden, ebenso Pflegeassistent:innen. Auch für sie sollten jedoch fließende Übergänge und Entwicklungschancen aufzeigbar sein.

1. Empfehlungen an den Gesetzgeber

  • Allgemeine Dienstpflicht: Für die Wiedereinführung einer allgemeinen Dienstpflicht und wegen der hohen Hürden für eine Grundgesetzänderung muss der Gesetzgeber eine breite gesellschaftliche Debatte anstoßen, die die Erfordernisse und Ziele über den Bedarf in der Pflege hinaus darlegt und legitimiert.
  • Reform der Laufbahnen: Für die Bundeswehr und insbesondere im Bereich des Zentralen Sanitätsdienstes müssen die Laufbahnen reformiert werden. Pflegepersonal muss der Offizier:in-Dienstgrad ermöglicht werden, statt Soldat:innen auf Zeit braucht es Berufssoldat:innen auf Zeit.
  • Flexiblere Arbeitszeiten: Arbeitszeit für ziviles Pflegepersonal muss über die bisherigen Möglichkeiten hinaus flexibilisiert werden können – bis hin zu neuen Stunden- und Wochenarbeitszeitmodellen.

2. Empfehlungen an den Arbeitgeber  

    • Bessere Betreuung: Personal muss vom Arbeitgeber engmaschiger begleitet werden – bei der Entwicklung, aber auch um Langzeitausfällen infolge fehlender Seelenhygiene und Überlastung im Beruf und Privatleben entgegenzuwirken.
    • Flexiblere Dienstposten: Für Personal, das durch Herausforderungen für eine Übergangszeit bisherige Aufgaben in der Pflege nicht wahrnehmen kann, ist ein “Springerdienstpostenähnliches Konstrukt” nötig, damit die “Pflegeposten” besetzt werden können.
    • Pflegepersonal entlasten: Mehr Pflegeassistent:innen und Hilfsberufe etwa für Medikamentenbestellung, Materialbewirtschaftung Dokumentation und psychische Stabilisierung müssen fest eingeplant und installiert werden.

 

Hauptempfehlung

Um das Bewusstsein für die Herausforderungen der Zeit zu schärfen, muss eine Allgemeine Dienstpflicht debattiert werden. In der Pflege geht es um Nachwuchsgewinnung und um Teilhabe der Bevölkerung. Zur Cura gehört dann auch die bessere Sorge um das Pflegepersonal selbst – auch beim Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Cindy Fischer (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.), Stabsfeldwebel, 1993 Eintritt in die Bundeswehr, Ausbildung im Sanitätsdienst mit Spezialisierung als Fachkrankenschwester für Anästhesie und eingesetzt im Stab und nun, das Vorzimmer, der militärischen Pflegedienstleitung. Mit ihrer Erfahrung und als stellvertretende Ländergruppenvorsitzende VSB-Berlin setzt sie sich dafür ein, den Soldatenberuf neu zu gestalten - um dem Dienstherrn und den Soldaten gerecht zu werden. Dabei liegt ihr die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders am Herzen.

Bilder: Bundeswehrkrankenhaus Berlin (Bundeswehrkrankenhaus Berlin)

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