Bonn, 07. Februar 2023

Wo die Bundeswehr steht und vor welchen Herausforderungen sie steht.

 23 02 07

Bild: www.bmvg.de

Der VSB informiert über die Bestandsaufnahme des BMVg für eine Bundeswehr der Zukunft.

Der Bericht ist infolge der von der Bundesregierung vorgesehenen kritischen Bestandsaufnahme der Bundeswehr erstellt worden. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist eine erhöhte Einsatzbereitschaft wieder zum vitalen Interesse für die Sicherheit der Bundesrepublik geworden. Denn der Krieg hat zu einem notwendigen Umdenken in Politik und Bundeswehr geführt. Strategische Entscheidungen der vergangenen Jahrzehnte seit 1990, als noch vom „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) und einem neuen Zeitalter des Friedens in Europa die Rede war, werden jetzt korrigiert. Jahrzehntelang Verkrustungen könnten nun aufgebrochen werden. 

Ein Expertenteam des BMVg hat den Zustand und den Reformbedarf analysiert, das ist durch eine breit angelegte Partizipation in der Bundeswehr begleitet worden. Heraus kamen 200 Handlungsoptionen und Vorschläge, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu steigern und um sie auf ganzer Breiter kaltstartfähig, durchhaltefähig und resilient zu machen.

Mit dieser Zäsur, dieser sicherheitspolitischen Zeitenwende und der neuen verschärften Bedrohungslage für die Bundesrepublik und ihre Bündnispartner in der NATO und der EU rücken bislang vernachlässigte Aspekte wieder in den Vordergrund. Dazu zählen die Landes- und Bündnisverteidigung als zentrale Aufgabe der Bundeswehr, aber auch Deutschlands internationale Verantwortung und die Bündnissolidarität sowie die Notwendigkeit einer starken und einsatzbereiten Reserve.

Erste Schritte zu einer Rückkehr zu einer militärischen Stärke und Investitionen in mehr Sicherheit sind durch die Schaffung des Sondervermögens und dem Bekenntnis zum 2%-Ziel der Nato gemacht. Der Stärkung der Einsatzbereitschaft dienen auch die Bündelung der Führungsaufgaben im neuen Territorialen Führungskommando und der Erwerb einer Werft in Rostock.

Heimatschutz und Nationale Territoriale Verteidigung (NatTerrVG) gewinnen an Bedeutung. Die Reserve der Bundeswehr muss den Aufwuchs gewährleisten, die Einsatzbereitschaft verstärken und die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr erhöhen.

Zugleich verlangt die neue Bedrohungslage ein zeitlich gestrafftes Handeln, die Beschaffung von Material muss beschleunigt und vereinfacht werden. Ein Beispiel ist die Beschaffung der vollständigen persönlichen Schutzausrüstung für aktive Soldaten, die nun bis 2025 erfolgt. Bis dahin muss auch ein Großteil der Strukturen der Territorialen Reserve und der Verstärkungsreserve ausgestattet sein.

 

Fünf Aspekte haben sich für die umfassende Reform als Kern herausgestellt:

1. Durch den Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung müssen auch die Einsatzverbände des Heeres darauf ausgerichtet werden. Dazu gehört die Bildung von Großverbänden und die Notwendigkeit flexibler Truppeneinteilung. Unterstützungskräfte der Streitkräftebasis und des Sanitätsdienstes sollen gestärkt werden, um die Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr besser zu unterstützen. Durch die Stärkung einzelner Landeskommandos und aufzustellende Heimatschutzkräfte wird die neu geordnete Aufgabenverteilung auf Landes- und Bündnisverteidigung weiterentwickelt. Die 2021 eingeführte Grundbeorderung von Reservekräften ist dabei ein wichtiger Baustein. Der Bereich Cyber- und Informationsraum ist bereits durch Herausnahme einer Führungsebene gestrafft worden.

 2. Beim Personal muss ich die Bundeswehr dem demografischen Wandel und dem Personalmangel auf dem Arbeitsmarkt stellen. Als Arbeitgeber muss sie daher attraktiver werden, auch ausreichendes Personal zum Aufbau verloren gegangener Fähigkeiten zu gewinnen. Ferner soll militärisches Personal auf militärische Aufgabenbereiche fokussiert werden. Ausscheidenden Zeitsoldatinnen und Zeitsoldaten werden für zivile Beschäftigungen angeboten, die Personalwerbung muss gestärkt, die Karrierecenter für Anforderungen eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls auszustatten.

3. Beim Material sind trotz Sondervermögen und 2%-Ziel weitere Schritte nötig, um Kaltstart- und Durchhaltefähigkeit zu verbessern. Dazu wird ein Sollausstattung festgelegt, die an der Auftragserfüllung ausgerichtet ist. Nachholbedarfe werden priorisiert. Nach Erreichen der Vollausstattung der Großgerätereserve wird diese mit Ressourcen hinterlegt. Bei Rüstungsprojekten müssen die Robustheit des Materials und die Instandsetzbarkeit im Feld mehr Gewicht bekommen. Die Bevorratungslogistik muss zur Absicherung dessen verstärkt werden.

4. Eine moderne und resiliente Infrastruktur ist für die Verteidigungsfähigkeit elementar. Hinzu kommt Deutschlands Funktion als Drehscheibe für die Logistik der Verbündeten. Infrastruktur und Baumaßnahmen müssen beschleunigt werden. Die Bundeswehr-Dienstleistungszentren erproben hierzu mit einem Pilotprojekt einfache Baumaßnahmen, Die Truppe selbst soll technisch einfache Maßnahmen gemeinsam mit den Dienstleistungszentren durchführen. Die Bundeswehr wird die Bauverwaltung von Bund und Ländern bei Projekten unterstützen, etwa durch temporäre Personalabstellungen. Zudem soll an den Universitäten der Bundeswehr eigene Fachleute für Infrastruktur aus- und weitergebildet werden.

5. Für die Funktionalität ist ein tiefgreifender Mentalitätswechsel notwendig. Statt eines überregulierten, starren Verfahrens- und Denkweisen braucht es ein zielgerichtetes, flexibles und lösungsorientiertes Vorgehen. Die jahrelange Zentralisierung hat dazu geführt, dass es an unmittelbarer Betroffenheit mangelt. Daher müssen in allen Bereichen zusätzlich zu den bisherigen Verteidigungs- auch Resilienzstrukturen zu schaffen, um Landes- und Bündnisverteidigung durchhaltefähig zu gewährleisten. Das muss sich auch in Verfahren der Verwaltung widerspiegeln. Kompetenzen der Bundeswehrverwaltung werden dezentral übertragen, Kampf- und Unterstützungsverbände umgegliedert. Um Personal für die Truppe freizusetzen braucht es eine robuste Aufgabenkritik. Wo Verantwortungsdiffusion festzustellen ist, braucht umfassende Prozesskritik hin zu mehr Dezentralität, Eigenverantwortung und Subsidiarität. Fortgesetzt wird die Prüfung eigener und nationaler gesetzlicher Vorgabe mit Blick auf einen Zuwachs an Effizienz und Effektivität. (CF)

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