Berlin, 26. Mai 2025
Aufstellungsappell der PzBrig 45 in Litauen – Vilnius: Ein historischer Schritt mit offenen Fragen
Am 22. Mai 2025 wurde in Vilnius ein bedeutendes Zeichen deutscher Sicherheits- und Bündnispolitik gesetzt: Mit einem feierlichen Appell wurde die Panzerbrigade 45 „Litauen“ offiziell in Dienst gestellt. Es ist das erste Mal seit Bestehen der Bundeswehr, dass ein deutscher Großverband dauerhaft außerhalb der Landesgrenzen stationiert wird. Auch Teilnehmer des Verbandes der Soldaten der Bundeswehr e.V. (VSB) waren vor Ort vertreten, um diesen besonderen Moment zu begleiten und sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.
Freiwilligkeit stößt an ihre Grenzen
Trotz des klaren politischen Willens, die Brigade rasch aufzubauen, zeigt sich an der Personalfront eine deutliche Unsicherheit: Noch ist unklar, ob genügend Freiwillige in der erforderlichen Qualität und Anzahl gefunden werden können. Die Rekrutierung stockt, die Zahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Die bisherigen Maßnahmen zur Ansprache potenzieller Bewerber – etwa Informationskampagnen und neue Rekrutierungsformate – stoßen an strukturelle und gesellschaftliche Grenzen. Eine verlässliche Personalbasis auf rein freiwilliger Grundlage erscheint zunehmend unrealistisch.
Der Übergang bis 2029 – mehr als ein Spagat
Bis 2029 soll die Brigade voll einsatzbereit sein. Doch der Weg dorthin ist weit – und von zahlreichen Herausforderungen geprägt. Neben der personellen Verstärkung erfordert der Aufwuchs auch erhebliche materielle Investitionen. Infrastruktur, Fahrzeuge, Gerät – vieles davon muss parallel beschafft, geliefert, aufgebaut und vor Ort betriebsbereit gemacht werden. Hier offenbaren sich tiefgreifende strukturelle Defizite: Lieferketten sind lückenhaft, Planungsprozesse zu schwerfällig, und die Umsetzung vor Ort hängt oft an zu wenigen Schultern. Die Verzahnung von Personal, Material und Einsatzfähigkeit bleibt eine offene Baustelle.
Wehrpflicht: Notwendig für eine einsatzbereite Landesverteidigung
Vor dem Hintergrund zunehmender NATO-Erwartungen an Deutschland – auch mit Blick auf die Führungsrolle an der Ostflanke – stellt sich die Frage, ob die Aussetzung der Wehrpflicht noch zeitgemäß ist. Aus unserer Sicht bedarf es eines neuen Instruments der Wehrpflicht oder Dienstpflicht, um die personelle Breite wiederherzustellen, die für glaubwürdige nationale und kollektive Verteidigung notwendig ist. Der demografische Wandel, gepaart mit gestiegenen sicherheitspolitischen Anforderungen, lässt den bisherigen Weg auf Freiwilligenbasis als unzureichend erscheinen. Eine moderne Form der Wehrpflicht kann dazu beitragen, Fähigkeiten breiter in der Gesellschaft zu verankern und gleichzeitig die Truppe zu entlasten.
Politische Rahmenbedingungen: Ein Signal, das Hoffnung macht
Die Entscheidung, die Schuldenbremse im Verteidigungsbereich auszusetzen, ist ein deutliches Signal. Es zeigt, dass die sicherheitspolitische Realität endlich auch im finanzpolitischen Handeln ankommt. Die Bereitschaft, hier neue Wege zu gehen, ist ein wichtiger Schritt – doch Mut zur Klarheit und zur offenen Kommunikation der Bedrohungslage ist weiterhin gefragt. Politische Führung darf sich nicht in Formulierungen verlieren. Es braucht eine durchgreifende strategische Agenda, die nicht an administrativen Hürden oder internen Widerständen scheitert. Die sprichwörtliche “Lehmschicht” muss durchstoßen werden – im Ministerium wie auch in den nachgeordneten Bereichen. Gleichzeitig dürfen wir das bestehende Personal auf diesem Weg nicht verlieren. Vertrauen entsteht nicht durch Ankündigungen, sondern durch verlässliche Umsetzung.
Spürbarer Rückhalt in Litauen
Ein besonders prägendes Bild ergab sich für unsere Delegation im Kontakt mit der litauischen Bevölkerung. Die Stationierung der Brigade wird dort nicht nur mit Zustimmung, sondern mit sichtbarem Dank aufgenommen. Die Menschen vor Ort – viele mit eigener oder familiärer Erfahrung aus sowjetischer Besatzungszeit – bringen der Bundeswehr eine Offenheit und Wertschätzung entgegen, die in Deutschland so nicht selbstverständlich ist. Die Bedrohung durch Russland ist in Litauen keine abstrakte Debatte, sondern eine tägliche Realität. Diese unmittelbare Wahrnehmung äußert sich auch im hohen gesellschaftlichen Ansehen von Soldatinnen und Soldaten. Es war vor Ort deutlich spürbar: Wer Uniform trägt, steht dort nicht im Verdacht, sondern im Respekt. Diese Erfahrung muss auch in die deutsche Debatte stärker eingespeist werden – als Erinnerung daran, wie eng Freiheit, Sicherheit und die Bereitschaft zum Schutz dieser Werte miteinander verknüpft sind.
Kontinuität und ein Quäntchen Glück
In dieser Phase des Wandels ist Kontinuität eine entscheidende Stärke. Wir schätzen es daher ausdrücklich, dass der amtierende Verteidigungsminister auch weiterhin die Verantwortung trägt. Die begonnenen Prozesse brauchen nicht nur politische Rückendeckung, sondern auch Verlässlichkeit in der Führung. Mit Entschlossenheit, Weitblick – und einem Quäntchen Glück – kann aus dem Projekt Panzerbrigade 45 ein zukunftsweisendes Modell für die Bundeswehr werden. (ML)
Miteinander - Füreinander
Bilder M.L.