Berlin, 16. März 2025
Wehrbericht 2024: Fortschritte, Baustellen und die Mahnung zur Eile
Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat ihren Jahresbericht 2024 vorgelegt, der einmal mehr den Zustand der Bundeswehr detailliert analysiert. Während die Zeitenwende politisch längst beschlossene Sache ist, zeigen sich bei der Truppe weiterhin Defizite – insbesondere in den Bereichen Material, Infrastruktur und Personal.
Neuausrichtung auf Landes- und Bündnisverteidigung
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die strategische Ausrichtung der Bundeswehr massiv verändert. Nach Jahren der Auslandseinsätze rückt die Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Mittelpunkt. Deutlichstes Zeichen hierfür ist die Aufstellung der Brigade Litauen mit 4.800 Soldatinnen und Soldaten. Erstmals in der Geschichte der Bundeswehr wird eine Brigade dauerhaft im Ausland stationiert. Die Wehrbeauftragte hebt dabei hervor, dass es zwar eine hohe Einsatzbereitschaft unter den Soldaten gibt, jedoch immer noch Unklarheiten über Wohnsituation, Familiennachzug und logistische Rahmenbedingungen bestehen.
Die sicherheitspolitische Verantwortung Deutschlands zeigt sich auch in anderen Bereichen: Die Marine ist stärker in Nord- und Ostsee präsent, beteiligt sich an der EU-Mission EUNAVFOR Aspides im Roten Meer und war dort am ersten scharfen Waffeneinsatz der Deutschen Marine beteiligt. Die NATO-Umstrukturierung zur NATO Force Model (NFM) bindet zudem deutsche Kräfte in die Verteidigung Osteuropas ein.
Material und Ausstattung: Fortschritte, aber kein Durchbruch
Die Bestände an persönlicher Schutzausrüstung wie Helme und Schutzwesten sind mittlerweile ausreichend. Doch bei schwerem Gerät gibt es weiterhin Engpässe – insbesondere bei Panzern, Schiffen und Flugzeugen. Auch die Abgabe von Material an die Ukraine hat Lücken hinterlassen. Die Bundeswehr muss dringend Nachbeschaffungen umsetzen, um ihre Einsatzbereitschaft zu gewährleisten.
Infrastruktur: Sanierungsstau bremst die Einsatzbereitschaft
Mit einem Investitionsbedarf von 67 Milliarden Euro sind Kasernen und Liegenschaften in einem teilweise desolaten Zustand. Zwar wurden die Infrastrukturinvestitionen 2024 auf 1,6 Milliarden Euro erhöht, doch viele Bauprojekte verzögern sich erheblich. Beispielhaft wird die neue Taucherübungshalle der Kampfschwimmer in Eckernförde genannt, die erst nach 13 Jahren Bauzeit fertiggestellt wurde.
Personal: Rekrutierung bleibt Herausforderung
Die Personalstärke liegt mit 181.174 Soldatinnen und Soldaten unter den angestrebten 203.000. Zwar konnten mehr Bewerbungen verzeichnet werden, doch die hohe Abbruchquote bleibt problematisch: 27 Prozent der neuen Soldaten verlassen die Bundeswehr in den ersten sechs Monaten. Auch die Beförderungssituation ist unbefriedigend – über 4.000 Soldaten warten teils jahrelang auf eine längst fällige Beförderung. Die Debatte über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht nahm 2024 erneut Fahrt auf. Die Wehrbeauftragte unterstützt Modelle wie ein “Gesellschaftsjahr” für alle jungen Menschen, hält aber fest, dass eine Entscheidung hierzu in der Politik weiterhin aussteht.
Bürokratieabbau: Notwendig, aber schleppend
Soldaten beklagen weiterhin eine Überlastung durch bürokratische Vorgaben. Sei es bei Materialbeschaffung, Beförderungen oder administrativen Prozessen – die Truppe wird ausgebremst. Das Verteidigungsministerium arbeitet an Lösungen, doch der Mentalitätswandel kommt nur langsam voran.
Fazit: Fortschritte ja, aber zu langsam
Aus Sicht des Verbands der Soldaten der Bundeswehr e.V. zeigt der Bericht 2024 ein gemischtes Bild: Es gibt Fortschritte in der Truppe, aber die Umsetzung der Zeitenwende bleibt zu langsam. Das Sondervermögen und die gestiegenen Verteidigungsausgaben bringen zwar Investitionen, doch zu viele Prozesse bleiben ineffizient. Die Bundeswehr braucht schnelle, sichtbare Verbesserungen – bei Personal, Material und Infrastruktur.
“Die Zeitenwende muss endlich in der Realität der Soldatinnen und Soldaten ankommen. Die Einsatzbereitschaft der Truppe entscheidet sich nicht nur in politischen Beschlüssen, sondern in den Kasernen, in den Stuben und auf den Übungsplätzen.”
Die Bundeswehr steht vor immensen Herausforderungen, aber auch Chancen. Entscheidend wird sein, dass aus politischen Ankündigungen endlich konkrete Verbesserungen werden – bevor die Zeit dafür abläuft. (ML)
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